Windows 10 ist nun schon über 100 Tage verfügbar und wir möchten dies zum Anlass nehmen, einmal ein paar IT-Experten zu Ihrer Meinung über das neue Betriebssystem zu befragen. Den Anfang macht Torben Blankertz, Microsoft MVP Business Solution (Project) und Mitbegründer des MVP Kaffeklatsches, einem unterhaltsamen und kurzweiligen Podcast zu verschiedenen Themen aus der IT.
- Welche Funktion unter Windows 10 findest Du besonders gelungen?
Funktionen? Naja, nach wie vor reden wir von einem Windows. Ich arbeite seit Windows 3.11 mit Microsoft, beruflich kam dann noch Linux hinzu. Ehrlich gesagt kann ich den ganzen Hype um das System nicht ganz verstehen. Wir halten fest, dass Microsoft mit Windows 8.X starke Probleme hatte, die Anwender zu überzeugen. Nun bringt man wieder ein Windows, endlich mit dem Start-Button, was sich wie Windows 8 mit einer anderen GUI anfühlt. Windows ist so einfach ausgereift – ein gutes, stabiles System mit einer hohen Usebility. Wenn Du mich jetzt fragst, muss ich sagen: "Der Start-Button“ (lach)? Was mir wirklich fehlt, ist ein "Design“. Es ist und bleibt ein Windows, und das ist wirklich schade. Microsoft hätte erstmals die Möglichkeit, mehr Design hinzuzufügen. Viele User sind von Windows weggegangen, weil Sie bei anderen Hersteller mehr Look&Feel haben.
- Bei welcher Funktion siehst Du noch dringend Handlungsbedarf und warum?
Ich finde es sehr wichtig, dass in Windows die Basisfunktionen erhalten bleiben. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein System sich nicht über Funktionalitäten verkauft, sondern dem User eine einfache Arbeitsplattform bereit stellen muss. Zum Beispiel das Thema „Start-Button“. Vielen Anwendern hat der fehlende Start-Button bei Windows 8.X gestört, was sich bis in die Unternehmen ausgewirkt hat. Bei der Arbeit mit einem System zählt nur, ob es einfach zu bedienen ist oder der Anwender komplette Arbeitsschritte neu lernen muss. Erfahrene Anwender tun sich da leichter, für andere User ist es eine Qual. Windows 10 gibt dem User einfach wieder ein gewohntes Windows.
- Thema Datenschutz: Ist die Diskussion überzogen oder berechtigt? Tut Microsoft genug, um seine Kunden aufzuklären?
Ein schweres Thema. Das Problem liegt doch darin - Microsoft kann behaupten, was sie wollen - und auch Dokumente und Standards nachweisen, wie Sie wollen. Solange der Anwender bzw. ein Unternehmen kein Vertrauen in den Anbieter hat, wird er die Cloud nicht nutzen. Ich denke im privaten Umfeld ist dies kein großes Thema, allerdings für Unternehmen. Oft besuche ich als IT-Consultant IT-Abteilungen, die weit unter dem Sicherheitsstandard von Microsoft ausgestattet sind. Um die Sicherheitsstandards von Microsoft Rechenzentren in der eigenen Organisation abzubilden, ist für kleine- bzw. mittelständische Unternehmen eine erhebliche Infrastruktur von Nöten. Genau hier liegt aber der Hase im Pfeffer! Heutzutage werden die IT-Budgets sehr gekürzt. So bleibt da meistens wenig Spielraum für Sicherheitsprojekte. Gerade im Klein- und Mittelstand ist dieses Verhalten zu spüren. Solange kein Security-Incident vorliegt, ist die Welt in Ordnung. Sollte es jedoch einen Vorfall geben, bemüht man sich dann erst um eine Lösung. Microsoft bietet mit seinen Office 365 Lösungen einen sehr guten Sicherheitsstandard.
- Apps unter Windows 10: Das Konzept der Apps, die neben herkömmlichen Programmen unter Windows 10 auf Desktop-PCs laufen, ist sehr umstritten. Welche Vorteile oder Nachteile siehst Du bei den Apps.
Die App-Strategie ist ein guter Ansatz. Microsoft begründet ja die Apps mit der besseren Unterstützung von Touch-Devices. Ich selber benutze ein Surface 3 Pro und muss sagen, dass ich den mobilen Modus zunächst spaßeshalber benutzt habe. Ich benötige die Apps nicht, sicherlich gibt es jedoch einige User, welche die App-Funktionalität schätzen. Bei Verwendung eines Mobiltelefons kommt man natürlich nicht an Apps vorbei. Großen Mehrwert bringen die Apps im SharePoint Bereich oder bei Office Apps. Die App-Problematik ist meiner Meinung nach eine andere. Microsoft Windows Phone finde ich persönlich als Device wirklich gut. Allerdings sind dort Apps problematisch. Erstens gibt es eine Menge Unternehmen, die keine Apps für Microsoft herstellen und wenn, haben dann zweitens meist diese nur mit 70% an Funktionen, die es bei Apple oder Android gibt, weil Microsoft seine Apps für alle Plattformen anbieten möchte. Der Markt muss sich da wohl noch ein wenig regulieren.
- Zwangsupdates unter Windows 10. In der Home-Version kann der Anwender nicht mehr festlegen, ob er Updates automatisch installieren oder zunächst nur auf neue Updates hingewiesen werden möchte. In Windows 10 Home gibt es keine Wahl mehr, Updates werden (zwangsweise) installiert. Ist das der richtige Weg oder eine Bevormundung der Kunden? Viele Anwender fürchten, dass ihr PC durch fehlerhaftes Updates lahmgelegt werden könnte und würde daher gerne Update verzögert installieren wollen. Sind diese Einwände berechtigt?
Die Diskussion, ob Microsoft Updates automatisch installieren darf oder nicht, verstehe ich nicht ganz. Ich finde es völlig okay, dass Microsoft sicherstellen möchte, dass der User ein sicheres System hat. Dies machen andere Hersteller ja auch. Die Diskussion über die Qualität der Updates verstehe ich im Gegensatz sehr gut. Hier ist Microsoft in der Pflicht, höhere Qualitätsstandards an den Tag zu legen. Es kann nicht sein, dass ein Update eingespielt wird und das System danach seinen Dienst quittiert. Seit Windows XP war man eigentlich eine gewisse Qualität gewohnt! Mittlerweile sind einige Probleme aufgetreten, die man so von Microsoft nicht kannte. Ich denke aber Microsoft wird das in den Griff bekommen.
- Zwangsupdates auf Windows 10. Viele Nutzer, auch hier im Forum, berichten, dass auf ihrem Gerät Windows 10 automatisch und ohne eine Einwilligung heruntergeladen und installiert wurde. Schlägt Microsoft hier den richtigen Weg ein?
Eindeutig "nein“. Das sollte dem User schon selber überlassen sein. Microsoft kann nicht sicherstellen, dass alle Programme auf Windows 10 kompatibel sind. Für den Anwender wäre sehr ärgerlich, wenn er einzelne Programme nach einem Upgrade nicht mehr nutzen könnte.
- Die "alte Systemsteuerung" soll vollständig durch die neuen Einstellungen ersetzt werden. Die Argumente von Microsoft sind bekannt. Viele User „fürchten“ aber diese Änderung. Welche Meinung hast Du?
Mmmmhhh, also wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, wann ich meine Systemsteuerung zuletzt gebraucht habe. Aber genau das ist der Punkt, den ich oben gemeint habe. Microsoft hat den Start-Button entfernt – alle schreien. Microsoft entfernt die Systemsteuerung – alle schreien. Sicherlich gibt es hierzu Argumente – aber Freunde macht man sich so nicht. Ich habe noch keinen Kunden erlebt, der sich über die Systemsteuerung beschwert hat. Mir persönlich ist es eigentlich egal. Dafür benutze ich Sie zu wenig.
- Der neue Browser Microsoft Edge wurde im Vorfeld groß angekündigt. Was ist davon geblieben? Hat der Browser die hohen Erwartungen erfüllt? Ist Edge im aktuellen Zustand ein Konkurrent für Firefox und Chrome?
Ich benutze den Browser nur sehr selten. Standard Browser ist bei mir der IE11. Firefox benutze ich zu Testzwecken im Project Server Bereich und bei Office 365. Chrome benutze ich gar nicht. Eine richtige Aussage zu Edge kann ich nicht geben, da ich mir noch keine Meinung gebildet habe.
- Über die Feedback-App kann man Microsoft Rückmeldungen zur Nutzung von Windows 10 geben. Microsoft verspricht, dass sie diese Infos nutzen, um Windows zu optimieren. Nimmt Microsoft die Anregungen wirklich an, oder ist das nur Marketing-Versprechen?
Ach ja - ich kann mich noch an die Preview-Phase erinnern. Als ich das App benutzen wollte, funktionierte es nicht (lach). Ein Feedback gebe ich normalerweise über das MVP Programm. Aber ich kann versichern, dass das keine Marketingmaßnahme ist. Microsoft hat bei vielen Produkten auf das Feedback der Anwender gehört. Das ist bei Windows 10 nicht anders.
- Zum Abschluss würde ich gerne einen Blick in die Zukunft wagen wollen. Was denkst Du, was wird Microsoft mit den nächsten Updates an Verbesserungen und Neuerungen hinzufügen?
Tja, die Zukunft wird interessant. Microsoft kommt mit neuen Devices und bei ständigen Updates mit neuen Features. Auf der anderen Seite bringt Microsoft aber auch Produkte für Apple und Android auf den Markt. Wie nachher die Verteilung aussehen wird, ein interessantes Thema. Dass bei Channel 9 Sessions mit einem iBook gemacht werden oder eine Microsoft Virtual Project Conference mit Google Hangout durchgeführt wurde, zeigt einfach, dass die Kriegsbeile begraben sind und endlich an Lösungen gearbeitet wird. Ich werde auf alle Fälle auch andere Produkte im Auge behalten und die für mich bessere Technologie nutzen.
Vielen Dank Torben, für Deine Antworten!
Der Autor Torben Blankertz lebt mit seiner Familie in Erkelenz im Kreis Heinsberg am linken Niederrhein. Während seiner Ausbildung an der Akademie für Informations- und Telekommunikationstechnik zu Essen entwickelte er seinen Schwerpunkt im Projektmanagement und die Einführung von Projektmanagementtools in Hinsicht auf die jeweiligen Projektmanagementprozesse.
Seit 2004 ist er als technischer Projektleiter sowie als Technologieberater für die Produkte Microsoft Project, SharePoint, Yammer und SQL Server tätig. Seine Erfahrungen reichen von klein- und mittelständischen Unternehmen bis hin in den Enterprise-Bereich.
Er ist ein freier Autor, Dozent und aktiver Blogger. Er führt den deutschsprachigen Project Blog. Seit Anfang 2014 erstellt er als Podcaster die deutsche Podcastreihe "Proiectum". Seit zwei Jahren erstellt er unter seinem YouTube Channel regelmäßige Project Webcast.
Torben wurde drei Mal mit dem Microsoft Most Value Professional ausgezeichnet.
Aus unserer Reihe "10 Fragen zu Windows 10"
10 Fragen zu Windows 10 - Heute mit Hans Brender